Home Boxen allgemein Steht der Weltboxverband AIBA vor dem Aus? Nach Olympia-Ausschluss droht die Pleite

Steht der Weltboxverband AIBA vor dem Aus? Nach Olympia-Ausschluss droht die Pleite

by Wolfgang Wycisk

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AIBA hat bei Bach Grenzen überschritten

Grafiken IOC // LOGO AIBA

Ein immenser Schuldenberg, Missmanagement, Wettkampfmanipulation und als Krönung ein vermeintlich Krimineller als oberster Funktionär des Weltboxverbands AIBA. Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) reagierte auf die Eskapaden des Verbands und bestrafte ihn empfindlich.
Die AIBA ist als Ausrichter des Olympischen Boxturniers in Tokio suspendiert worden. Ihre Funktionäre werden zum Zuschauen verdammt sein, wenn ihre Boxer um Medaillen kämpfen. Das würde allerdings voraussetzen, dass man bis dahin noch das Geld für die Eintrittskarten zusammen bekäme, denn der Verband steht vor dem Ruin. Doch statt die dringenden Probleme zu lösen, ist ein bizarrer Machtkampf in der Führungsetage entbrannt.

Suspendierung als Konsequenz auf Eskapaden

26. Juni | Lausanne An ihrem letzten Sitzungstag bestätigte die IOC Vollversammlung den Ausschluss des Weltboxverbands AIBA von den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. Der Beschluss wurde einstimmig gefasst.

Die Suspendierung richtet sich ausschließlich gegen die AIBA als Ausrichter des Boxturniers. Der Boxsport bleibt olympisch, d.h. auch in Tokio werden die weltbesten Boxer/innen um Medaillen kämpfen.

Dafür hat das IOC eine Task Force eingerichtet, die sowohl für die Durchführung des Olympischen Turniers, als auch für die Qualifikationsturniere verantwortlich ist. Geleitet wird die Task Force von Morinari Watanabe, Präsident des Welt-Turnverbands.

Task Force

In einem 20-minütigen Vortrag zeigte Watanabe der Vollversammlung sein Zielbild auf:

  • Acht Männer- und fünf Frauengewichtsklassen
  • 286 Teilnehmer (186 Männer / 100 Frauen)
  • Von Januar bis Anfang April 2020: vier Qualifikationsturniere in Buenos Aires, Dakar, London und China sowie im Mai ein weltweites in Japan. Alle Athleten erhalten somit zwei Qualifikationsmöglichkeiten.
  • Testurnier vom 29. – 31. Oktober in Tokio.
  • Die Nationalen Olympischen Komitees (NOCs) und die Nationalen Boxverbände sollen bei der Nominierung ihrer Teilnehmer/innen für die Qualifikationsturniere zusammenarbeiten. Sollte ein Verband keine Empfehlung aussprechen, läge die Nominierung ausschließlich beim jeweiligen NOC.
  • Die Teilnahme von Profis ist wie in Rio 2016 erlaubt. Ihr Qualifikationspfad entspricht dem der Amateure.
  • Für die Kampfgerichte wird auf eine spezifische Referee-Datenbank zurückgegriffen, die die AIBA zur Verfügung stellen wird.

Weg nach Tokio

Dem Bann der AIBA waren eine Vielzahl von „No-Gos“ vorangegangen, wie z.B. die Skandalurteile bei den Spielen in Rio, die zur Suspendierung aller 36 eingesetzten Kampfrichter führte.
Harakiri-Investitionen, wie die der neu gegründeten Profisparte AIBA-PRO-BOXING (APB) häuften einen Schuldenberg an, der in der Spitze geschätzte 25 bis 30 Mio. USD erreichte.

Nach der Wahl von Gafur Rachimov handelt das IOC

Im November 2018 übernahm der Usbeke Gafur Rachimov die Kontrolle über den Weltboxverband. Einem Bericht aus dem Jahr 2012 zufolge ist Rachimov „von Erpressung und Autodiebstahl zu einem der führenden Kriminellen Usbekistans aufgestiegen.“
Ein immenser Schuldenberg, Missmanagement, Wettkampfmanipulation und nun ein vermeintlich Krimineller als oberster Boxfunktionär?
Das IOC reagierte empfindlich und stoppte den Weltboxverband bei den Vorbereitungen für das Olympische Boxturnier. Die AIBA durfte nicht mit den Olympischen Ringen werben, jegliche Kontakte zu den Organisatoren für Tokio waren untersagt, die Qualifikation für Olympia 2020 wurde ausgesetzt. Zahlungen an den Boxverband lagen bereits seit Dezember 2017 auf Eis.

DOSB und DBV sollen gemeinsam qualifizieren

Eine eilig gegründete Untersuchungskommission des IOC unter der Führung des Ringerpräsidenten Nenad Lalović legte noch im gleichen Monat der AIBA einen Maßnahmenkatalog für die Erneuerung ihrer Good Governance, gesunder Finanzen und Ethik vor.

Nenad Lalović empfiehlt Auschluss

Der Knockout kam ein halbes Jahr später, am 22. Mai 2019. Aufgrund der bis dahin vorliegenden Untersuchungsergebnisse empfahl Lalović auf einer Sitzung des IOC-Exekutivkomitees die AIBA von den Spielen auszuschließen. Sein Vorschlag wurde angenommen. Es fehlte nur noch die formale Zustimmung der Vollversammlung, die dann am 26. Juni erfolgte.

27. Juni | Genf Bereits einen Tag nach der IOC Vollversammlung trat das AIBA Exekutivkomitee zusammen und beriet sich über das schwerwiegende Urteil des IOC.
In einer go4boxing.com vorliegender Mail teilte der russische Boxpräsident Umar Kremlev taggleich mit, dass die AIBA am 15. November einen außerordentlichen Kongress abhalten wird, bei dem die gesamte Führungsspitze neu gewählt werden soll. Präventiv hatte man den Artikel 16.3 der Verbandssatzung annulliert. Dieser Paragraph hielt Rachimov ein  Hintertürchen für seine Rückkehr in die Führungsetage ohne ordentliche Wahl offen.

Machtkampf statt Probleme lösen

Darüber hinaus hatten Kremlev und der ukrainische Boxpräsident Volodymyr Prodyvus ein Misstrauensvotum gegen den marokkanischen Interimspräsidenten Mohamed Moustahsane und dem Vorsitzenden der Ethik-Kommission, Jost Schmid auf den Weg gebracht. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt.

Eine Gegenreaktion ließ nicht lange auf sich warten. Das Sportnachrichtenmagazin insidethegame.biz veröffentlichte am 28. Juni einen Artikel, demnach die AIBA-Ethik Kommission eine Untersuchung gegen Kremlev und Prodyvus eingeleitet hatte. Die Bulgarin Emilia Grueva, AIBA Exekutivmitglied, geriet ebenfalls unter Beschuss. Interimspräsident Moustahsane wirft ihr vor, persönliche Vorteile aus der Krisensituation ziehen zu wollen.

Der entbrannte Machtkampf ist bizarr und nicht hilfreich, zumal die AIBA keine 400.000 USD mehr auf der Bank hat und ohne Einnahmen auf den Konkurs zusteuern wird.

Es ist fraglich, wie der für November angekündigte Kongress finanziert werden soll, und ob das Geld bis zu dem Zeitpunkt überhaupt noch reichen wird.

Trotz des drohenden Bankrotts will die AIBA keinen Insolvenzantrag stellen.

„Im Fall AIBA muss eine Insolvenz nicht das Aus bedeuten,“ so der Bielefelder Rechtsanwalt und Boxexperte Dr. Strickrodt. „Eine Insolvenz gäbe der AIBA die Chance auf Erneuerung. Ein starker Insolvenzverwalter mit Rückgrat, der bereit wäre, sich von fragwürdigen Funktionären zu trennen, Seilschaften zu kappen und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, der könnte einen Neuanfang im Olympischen Boxen schaffen.“

Neuanfang. Ohne den wird es im Boxen nicht mehr gehen.

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