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Ein Leben für den BC Greifswald

by Wolfgang Wycisk

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v.l. Egon, Horst, Volker, Winne

v.l. Egon, Horst, Volker, Winne

1956 als Armee-Sportverein ASV gegründet, danach umbenannt in UNI Greifswald. Weil die staatliche, bzw. betriebliche Förderung ausblieb, wurde aus UNI der Eisenbahnersportverein, kurz Lokomotive, bis das zuständige Amtsgericht 1998 noch einmal Hand anlegte und den BC Greifswald (BCG) in das Vereinsregister eintrug. Insgesamt viermal wechselte der Club seinen Namen.
Trotz der häufigen Änderung der „Verpackung“, die Tradition und der Erfolg sind geblieben.

Es gab Zeiten, da triumphierte der BCG sogar über die Großmacht Traktor Schwerin. Besonders Greifswalder Schwergewichte waren Gold wert:
Lothar Peth war der erste Deutsche Meister des Vereins. Erik Blum, Daniel Bräuhahn, die Lewandowski-Brüder sowie Florian Schulz waren allesamt deutsche Meister.
Auch international war der BCG eine Macht. Christian und Dennis Lewandowski, Florian Schulz, Enrico Berger; sie kehrten hochdekoriert von Europameisterschaften zurück.
Gold und Silber gab es auf Weltmeisterschaften für Enrico Berger und Thomas Benzmann.
Jetzt sind es Talente wie der U-22 DM Agasi Margaryan oder Juniorin Ani Manukyan, die auf Deutschen- und Europameisterschaften abräumen.

Es ist Freitag, der 15. Dez. 16 Uhr. Ringarzt Dr. Volker Worm, hat sich für das Gespräch mit dem Boxsport Magazin Zeit genommen. Genauso wie Wiking-Wolgast Coach Jürgen Moderhak und Kult-Promotor Winfried Spiering, der zurzeit an seiner Biografie arbeitet. Dr. Worm hatte 1964 bei UNI Greifswald begonnen. Ein Jahr später führte er die Eingangsuntersuchung beim damals 13-jährigen Winfried Spiering durch. „Damals hatte Winner (Spiering) noch nicht im Schwergewicht geboxt“, frotzelt der Mediziner. Bei der Frage nach dem Besten geht es hoch her. Moderhak präsentiert gute Gründe, dass es Dennis Lewandowski sei. Die Gleichen führt Egon Burmeister an. Nur hat er Enrico Berger im Sinn. Burmeister ist der einzige „Nicht-Boxer“ am Tisch. Der Wolgaster war einer der besten Judoka der DDR.

Wenn man die Runde nach dem Vater des Erfolgs des BCG fragt, dann ist ihre Meinung einhellig: „Horst Femfert.“
Der sitzt an der Stirnseite des Tischs der Alt-Herren-Runde. Eigentlich müsste er jetzt im Krankenhaus liegen.

„Ich habe Schmerzen in den Beinen und bekomme deswegen Infusionen. Aber ich habe mir für heute einen halben Tag freigenommen“, wie er sagt.
„Ausgebüxt ist er“, lästert Dr. Worm. Er muss es wissen, denn zum einen steckt eine Infusionskanüle in Femferts Handrücken, zum anderen hat er ihn ja mitgebracht.

Femfert begann 1963, 20-jährig, beim ASV. „Wir waren 25 auf der Halle und trafen uns dreimal die Woche. Bis auf ein paar Junioren und Schüler waren wir ausschließlich Männer.“
Irgendwann zog ihr Trainer weg und Ersatz war nicht da.
Für die Boxer war es die Katastrophe schlechthin, denn das hochprofessionell durchgestylte DDR-Sportsystem hatte Greifswald noch nicht erreicht. „Horst, du musst das Training übernehmen. Sonst bricht hier alles zusammen.“
Zu denen, die an Femfert appellierten, gehörte auch Fritz Sdunek.

Femfert übernahm die vakante Trainerposition und mit ihm begann eine der bemerkenswertesten Vereinsgeschichten im olympischen Boxsport.
„Für den Nachwuchs eine Familie sein.“ Das war Femferts und damit Greifswalds Erfolgsgeheimnis. Seine Frau Renate übernahm die Rolle der gütigen Mutter. Sie hielt Kontakt mit den Eltern, den Lehrern und dem Amt, gab Nachhilfeunterricht und achtete auf das Äußere sowie die Umgangsformen ihrer „Kinder“. Auf sie geht auch das „Boxen für Frauen“ zurück. Für ihr Lebenswerk überreichte ihr Franz Beckenbauer 1995 den Georg-von-Opel-Preis.
Meriten gab es viele. So zeichnete die Commerzbank und der DOSB die Femferts und den BCG gleich mehrfach mit dem grünen Band aus, das an ausgesuchte Vereine für ihre herausragende Nachwuchsarbeit verliehen wurde. Horst Femfert ist Meisters des Sports der DDR. Spiering betont, dass diese Ehrung nur an wirklich verdiente Sportler und Sportfunktionäre verliehen wurde.

Was viele nicht wissen, Fritz Sdunek begann seine Karriere im Trainerteam von Horst Femfert. Der erkannte, dass er viele Talente nicht erreichen konnte. Sie wohnten auf dem Land, in Groß Kiesow, Lüssow oder Bandelin. Zu weit weg, um an dem täglichen Training in Greifswald teilzunehmen. Er klügelte ein Stützpunktsystem aus, um den Boxsport in die Satelliten rund um Greifswald zu bringen. In Lüssow übernahm Sdunek das Training. Mehrfach im Monat fuhr er mit seinen Boxern zum Sparring. Sduneks Vater, von allen „Onkel Arno“ genannt, stellte mit einem IFA-H3A den Fahrdienst. Die Jungs sprangen hinten auf den Dreieinhalbtonner und „Onkel Arno“ schaukelte sie nach Greifswald.

Hartmut Schröder, Boxer und danach Trainerlehrling bei Femfert, übernahm später die Rolle des Chefcoachs in Spierings legendärer Wiking‑Box‑Promotion. Sein größter Wunsch war es, einen Boxer aus seiner Heimatstadt Greifswald an die Weltspitze zu führen. Spiering und er trauten Marko Link bzw. Daniel Schuldt diese Aufgabe zu.

Auf Femferts Fürsprache gaben sie aber dem ebenfalls beim BCG boxenden Sebastian Sylvester die Chance. Der Rest ist Geschichte.

2021, nach 45 Jahren Trainertätigkeit und 58 Jahren Vereinszugehörigkeit, legte Femfert sein Amt in die Hände von Kay Max Schröder. Nun liegt es an Hartmut Schröders Sohn, BCGs Faustkämpfer auf Deutschen-, Europa-, und Weltmeisterschaften in die Medaillenränge zu führen, egal ob beim Profi- oder olympischen Boxen.

INFOBOX

BC Greifswald, vormals Armee-Sportverein ASV Greifswald, UNI Greifswald Eisenbahnersportverein Lokomotive Greifswald

Berühmte Boxer im Schwergewicht
DM: Lothar Peth, Erik Blum, Daniel Bräuhahn, Dennis und Christian Lewandowski, Florian Schulz.
Aktuell: Ani Manukyan, Agasi Margaryan, ua.
EM Platz 1-3: Christian, Dennis Lewandowski, Florian Schulz, Enrico Berger, Ani Manukyan.
WM Platz 1:  Enrico Beyer, Sebastian Sylvester (Profiweltmeister gefördert durch Femfert, Spiering und
Schröder)
WM Platz 2: Thomas Benzmann

Landesmeister > 100

Berühmte Trainer: Horst Femfert, Fritz Sdunek

Vorstand: Präsident Udo Meschke, Vize-Präsident Alexander Novosad, Cheftrainer Kay Max Schröder, Schatzmeisterin Gisela Paesch, Jugendwart Nico Paesch Zeugwart Clemens Wendt, Integrationsbeauftragter Mohammed Daghs

Mitglieder: 130
Durch Engagement in Wohn- und Flüchtlingsheimen kontinuierlicher Zuwachs. Ca. 90% der Mitglieder haben einen Migrationshintergrund. 70% +  kommen aus geflüchteten Familien.

Leuchtturmprojekt: „Sparring mit Dialog“
Projektpatin Gina Lellwitz veranstaltet regelmäßig kleine Events für Frauen, auch für die, die neu beim Boxen sind.

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