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Uwe Hamann – Um den DBV zu retten bräuchten wir ein kleines Wunder

by Wolfgang Wycisk

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Ende Januar gab Uwe Hamann ein bemerkenswertes Interview, dass wir euch nicht vorenthalten wollen.

364 Kämpfe bestritt der Boxer Uwe Hamann für den VfB Oldenburg. Dabei war der Sohn des legendären VfB-Boxtrainers Heinrich Hamann überaus erfolgreich. Irgendwann zog es ihn in nach Baden-Württemberg, wo er als Geschäftsmann drei Bäder betreibt. Zuhause ist der 57-Jährige in Salem. Der Boxsport hat ihn nicht losgelassen. Er ist der Präsident des Landesverbandes Baden-Württemberg und war bis Oktober 2017 im Deutschen-Boxverband (DBV) als Vizepräsident für Verbandskommunikation & die Internationale Betreuung der Athleten verantwortlich. Eigentlich ein Platz an der Sonne, doch er erkannte, dass sich der DBV auf dem gefährlichen Weg in die Bedeutungslosigkeit befand. Wem gegenüber war er verpflichtet? Dem Boxpräsidenten Jürgen Kyas? Oder seinem Gewissen? Uwe Hamann entschied sich für Letzteres.

Herr Hamann, bei der letzten DBV-Vorstandswahl traten sie gegen den Präsidenten Jürgen Kyas an. Hat ihnen der Job als Vize nicht mehr gereicht?
UH:
Als ob es hier um Pöstchen-Schieberei gehen würde. Sehen sie nicht, dass der DBV den Boxsport durch sein Missmanagement ins Abseits schießt? Angefangen bei der unübersichtlichen Finanzlage, über das Führungsdesaster, bis hin zu der sportlichen Erfolgslosigkeit. Hätten wir nicht einen Abass Baraou (Anm. Europameister und WM-Dritter) wären wir längst abgehängt. Ich wollte etwas verändern. Deshalb hatte ich mich zur Wahl gestellt.

Das hört sich heftig an. Wen und was beklagen sie?
UH: Ich klage das Kernteam von Jürgen Kyas an, dass sie ihre persönlichen Interessen vor denen der Vereine stellen. Wäre es anders, dann würden sie sich hinterfragen, wie sie den DBV endlich finanziell gesunden könnten. Sie würden sich fragen, wo sie den DBV nächstes, übernächstes und in drei Jahren sehen. Sie würden Ideen und Visionen entwickeln und sich überlegen wie man diese in die Vereine transportieren könnte. Die Box-Vereine sind unser wichtigstes Gut und es ist die Aufgabe von Kyas, Müller und Dreke für sie zu arbeiten und nicht umgekehrt. Das haben die Herren vergessen. Würden sie sich diesen Spiegel vorhalten, dann würden sie erkennen, dass ihr Haltbarkeitsdatum längst überschritten ist.

Sie verloren die Wahl. Danach gab sich Herr Kyas in einem Interview verschnupft. Ihn hätte erschüttert, dass sie im Vorfeld ihre Pläne nicht bekannt gegeben hätten. Er sprach von „unfairen Stimmenklau ihrer Mannschaft “ und übler Nachrede.

UH: Schon bei der WM in Hamburg habe ich mitgeteilt, dass ich beim Kongress im Velbert gegen Kyas antreten würde. Und eine Mannschaft hatte ich auch nicht. Um Kyas die Stirn zu bieten, brauche ich keine Hilfe.

Bei der Wahl bekam Herr Kyas 482 Stimmen, sie erhielten 364.

UH: Keine Frage ich habe die Wahl verloren. Doch es war knapper als die Zahlen ausdrücken, denn jedes Bundesland erhält nach einem Schlüssel eine bestimmte Anzahl von Stimmen. Meine Zeit hatte nicht gereicht, die brennenden Probleme mit allen Präsidenten der Landesverbände zu besprechen.

Uwe Hamann bei der Siegerehrung

Was waren die Ziele an denen sie sich messen lassen wollten?
UH:
Sie sprechen von Zielen. Es gibt nur ein Ziel und zwar den DBV zu retten. Dafür müssten wir mehrere Kernthemen angehen.
Fangen wir bei den Finanzen an. Wer außer Dreke, Müller und Kyas weiß eigentlich, wie es wirtschaftlich um den DBV bestellt ist? Zuletzt wurde ein Betrag von 50€ für Jugendmeisterschaften erhoben. 50 Euro! Zum DBV gehören 830 Vereine, die nun zusammen dem DBV fast 42.000€ überweisen. Was bitte passiert eigentlich mit dem Geld?
Über die Jahre wurden die Beiträge wieder und wieder erhöht. Doch die Kostenseite läuft weiter davon. Warum ist das so?
An der wichtigen Schnittstelle Finanzen brauchen wir jemanden, der in der Lage ist, die wirtschaftliche Entwicklung des DBV anhand von Plangrößen und Kennzahlen zu managen. Jemanden der Transparenz in die Kosten bringt und den DBV wieder in ruhiges Fahrwasser lenkt. Erich Dreke ist der Vizepräsident Finanzen und als Generalsekretär des Deutschen Box-Verbandes der DDR ein gelernter Funktionär.  Er ist ein hervorragender Arbeiter und kann Finanzen verwalten. Managen kann er sie nicht.

Weiter?
UH:
Sprechen wir über den Leistungssport. Es gab einmal eine funktionierende erste und zweite Bundesliga. Ein ideales Vehikel um unsere Talente zu fördern und fordern. Dann kam die WSB (Anm. Semi-Profi Liga des Weltboxverbands AIBA) und später die APB. (Profi-Liga der AIBA) Und was hat der DBV getan? Er hat dafür unsere Bundesligen geopfert. Noch schlimmer, der DBV hat in der APB junge Talente verheizt.
Das es nun zu einer Renaissance der Bundesliga kommt, ist einzig und allein den teilnehmenden Vereinen zu verdanken. Die alten Clubs wie Nordhausen, Chemnitz oder Hannover, um einige zu nennen, stehen für Stabilität. Neue Teams, wie Schwerin und Hamburg bringen frische Ideen. Das passt. Jetzt müsste der DBV eine zweite Bundesliga etablieren, an der Teams mit geringerem Etat mitmachen könnten.

Gibt es noch mehr?
UH:
Kommen wir zu den Bundesleistungsstützpunkten. Wir müssen darauf achten, dass die Athleten an den Stützpunkten auch zum Trainerbesatz passen. Wenn die Chemie auf der Ebene Coach/Boxer nicht stimmt, dann stellen sich keine Erfolge ein. Es kann nicht sein, dass TOP-Athleten an bestimmte Stützpunkte verschoben werden, nur um den Schein des erfolgreichen Leistungszentrums vorzugaukeln. Die Stützpunkte müssen wieder lernen, im Team zusammenzuarbeiten. Ein konstruktiver Konkurrenzgedanke ist gesund. Der Konkurrenzgedanke, wie ihn der DBV schürt, ist schädlich. Deshalb benötigen wir dringend einen gestandenen und kommunikativen Trainer, der bereit ist, die Stützpunkte übergreifend zu koordinieren.

Das letzte was sofort angegangen werden muss, ist die Überarbeitung der Strukturen und Aufgaben unserer Bundestrainer.

Wir verfügen über hervorragende Trainer. Doch sie werden fallen gelassen, wie Mikado-Stäbchen. Es fängt damit an, dass wir seit Michael Bastian keinen leitenden Bundestrainer mehr haben, sondern ein „Lenkungsausschuss“ an dessen Spitze sich Sportdirektor Müller gesetzt hat. Um jemanden los zu werden, ist dieses Konstrukt genial, um das Leistungsboxen zu führen ist es ein Flop. Erfolgreiche Spitzensportverbände haben erkannt, dass man ab einem gewissen Punkt Verantwortung nicht mehr teilen kann, schon gar nicht in irgendwelchen Lenkungsausschüssen. Wir brauchen wieder einen Bundestrainer, der bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und auch unangenehme Entscheidungen zu treffen. Dadurch hätten wir eine „Elefantenrunde“ weniger, würden Kosten sparen und schneller ans Ziel kommen.

Vincent Feigenbutz (rechts)

Der DBV will zukünftig enger mit Profiboxern zusammenarbeiten. Die dürfen bei den nächsten olympischen Spielen starten. So beschäftigt sich DBV-Coach Valentin Silaghi mit Vincent Feigenbutz, einem der Shooting Stars des Sauerland Teams.

UH: Mittlerweile hat Bundestrainer Zoltan Lunka die Feigenbutz-Betreuung übernommen. Was der DBV veranstaltet ist ein Unding. Da wird Lunka von der Vorbereitung unserer Kaderathleten für die Europameisterschaften abgezogen, um Feigenbutz auf seinen nächsten Kampf einzustellen. Der DBV opfert den Erfolg seiner Amateure für den eines Profis.

Setzt der DBV für die nächsten olympischen Spiele auf Vincent Feigenbutz? UH: Das mag ja sein, aber zum jetzigen Zeitpunkt ergibt es gar keinen Sinn! Die Vorbereitungen für die olympischen Spiele haben noch gar nicht begonnen. Warum sollte sich Vincent Feigenbutz schon jetzt auf die Sprintdistanz der Amateure einschießen, zumal er demnächst einen Profikampf von mindestens zehn Runden bestreiten wird. Ganz klar hier werden unsere Trainer-Ressourcen vergeudet.
Schauen sie sich einmal den Stützpunkt Berlin an. Da haben wir einen Trainer, der zweifacher Vizeweltmeister ist und einen Spitzenboxer nach dem nächsten rausbringt. Der DBV gibt ihm keinen Job. Auf der anderen Seite kann der Verband es sich aber leisten, Lunka abzustellen, um einen Profi auf seinen nächsten Fight vorzubereiten. Was ist das für eine Logik? Was bekommen wir eigentlich zurück?

Die Gegenleistung der Profis besteht darin, den Spitzenboxern des DBV kostenfrei als Sparringspartner zur Verfügung zu stehen.
UH:
Das ist doch lachhaft. Wenn das stimmt, dann zieht der DBV alle Boxvereine an Nasenringen durch die Manege. Sparringspartner – als ob wir keine Boxer mehr  hätten.

Angenommen der DBV-Vorstand wäre nicht mehr da
UH: Dann sind deutschlandweit alle Sportkameraden gefragt, die, wie ich, bereit sind Vorstandsverantwortung zu übernehmen. Aber ganz ehrlich, um den DBV zu retten bräuchten wir auch ein kleines Wunder.

 

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