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Boxing Australia

Willkommen bei den Nicolsons

by Wolfgang Wycisk

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Das Einzige, das ich an Australien nicht mag, ist der lange Flug und dass es unter dem Ozonloch liegt. Wegen Letzterem ist Sonnenschutzfaktor 50 angesagt. Das war es aber auch schon, denn Australien gehört zu den schönsten Plätzen unseres Planeten. Und da stellt sich auch schon die Frage, ob Australien ein Land oder ein Kontinent ist. Um genau zu sein, ist es ein Land auf dem gleichnamigen Kontinent mit schneeweißen Stränden, tropischen Regenwäldern, dem fantastischen Great Barrier Reef und Typen wie Crocodile Dundee, für die Berührungsangst ein Fremdwort ist und jeden kumpelhaft mit „G’day, Mate“ begrüßen.

Australien ist voller Kontraste. Das Outback, das Landesinnere, ist trocken und lebensfeindlich. Die Küstenzonen im Osten und Westen sind paradiesisch schön.

An der Ostküste liegt Yatala. Es markiert die Mitte zwischen Brisbane und Gold Coast, dem beliebtesten Urlaubs- und Surf-Spot Australiens.
An Yatala plätschert das Leben vorbei. Daher wundert es kaum, dass Wikipedia die fehlende Stadtbücherei als einen kulturellen Höhepunkt des 1300 Seelendorfs auslobt.

Albert Boxing Club

Doch wenn es ums Boxen geht, gibt es kein Vorbeikommen an Yatala und dem Albert Boxing Club. Er gehört zu den prominentesten Boxvereinen in Australien. Präsident ist Allan Nicolson Senior.

Wann er den Club gegründet hat, ist eine akademische Frage. Es muss Ende der Achtziger gewesen sein. Das einzige Datum, das für ihn und seine Frau Pat zählt, ist der 28. Februar 1994.

An dem Tag verloren sie zwei ihrer Söhne bei einem Autounfall. Gavin war zehn Jahre alt und Jamie 22. Während Gavin erst an Anfang seiner Karriere stand, gehörte Jamie bereits zu den weltbesten Faustkämpfern. Dritter Platz bei den Commonwealth Games, WM-Bronze und die Olympiateilnahme in Barcelona zählten zu seinen Meriten. Als Profi bestritt er sieben Kämpfe, bevor ihn der tragische Unfall aus dem Leben riss.

Boxing Nicolsons

Allan ist das Oberhaupt einer Dynastie von erstklassigen Boxern. Da wären sein Sohn Allan (Junior), mehrfacher Australienmeister und jetzt Headcoach des Albert Boxing Clubs. Seine Enkelin Beth gewann als erste Australierin eine Medaille bei einer Weltmeisterschaft. Pflegesohn Kiwa King ist vierfacher Landes-Champ und Jugend-WM-Teilnehmer. Kiwas Schwester Destiny ist die jüngste Boxerin des Nicolson Clans.  Und natürlich Skye Nicolson. Die mehrfache Landesmeisterin gewann 2016 in Astana WM-Bronze. Die AIBA rankte sie auf Platz vier. Jetzt ist sie als Profi am Start und mittlerweile die Nummer 9 auf der Weltbestenliste von boxrec.

Allan Nicolson

Allan  und ich haben uns bei den Länderkämpfen zwischen Deutschland und Australien kennengelernt. Neben Köln, Velbert und Münster waren die Aussies auch zweimal zu Gast im niederrheinischen Wesel, zuletzt 2015. Allan war Delegationsleiter und ich der Ringsprecher. Daher kenne ich auch Pat, Kiwa und Skye.

In Erinnerung geblieben ist mir sein Humor. „G’day Wulfgäng, how are you going?” Allan begrüßt mich, als hätten wir uns erst gestern gesehen. Und dann gleich der erste Allan-Joke: „What about a good German Heineken Beer?“ Natürlich weiß er, dass Heineken aus Holland kommt. Ich lehne freundlich ab und entscheide mich für das Ginger-Ale, das Pat mir anbietet.

Kiwa macht sich für das Training fertig, das in wenigen Minuten beginnen wird. Währenddessen rede ich mit Pat und Allan:

Skye Nicolson gewann WM-Bronze

Ich erfahre, dass Skye überlegt, nach den nächsten olympischen Spielen als Profi durchzustarten. Zurzeit bereitet sie sich auf die 21. Commonwealth Games vor, die vom 4. – 15. April 2018 in Gold Coast stattfinden werden. Die bildhübsche Federgewichtlerin will diesen Titel unbedingt, denn für die Australier sind die Games das wichtigste Sportereignis nach den Olympischen Spielen. Neben dem Sport absolviert sie eine Ausbildung zur Hebamme.

Pat ist als Ringrichterin zurückgetreten. Allan ist nicht mehr Vorstandsmitglied bei Boxing Queensland, dem erfolgreichsten Bundestaat des australischen Verbands. Job, Boxverein und Verbandsarbeit, ihnen wurde es zu viel.

Allan schaut auf die Uhr und springt auf. Wir haben uns verquatscht. Das Training ist längst im Gange.
Das Box-Gym liegt zurückgezogen an der Paterson Road, direkt hinter dem Haus der Nicolsons.
Schon von weitem höre ich das Summen der Seilchen, das dumpfe „Tock“ eines auf einen Autoreifen krachenden Hammers, das markante „Papp Papp“, das ein Sandsack von sich gibt, wenn er getroffen wird und die lauten Anweisungen von Allan Jr. Er muss mit seiner Stimme gegen die Ochsenfrösche ankämpfen, die sich im Dickicht verstecken und gnadenlos quaken. Seine Kommandos gelten den vier Sparrings-Pärchen im Ring, der ein Drittel des Gyms einnimmt.

Muss laut werden: Allan Nicolson Jr.

Heute ist Nachwuchstraining. Kibta Taykeeta fällt mir direkt auf. Allan Jr. erzählt mir, dass das Mädel 14 Jahre alt ist und erst seit acht Monaten trainiert. Ihr blonder Pferdeschwanz wippt lustig, wenn sie sich über ihr Spielbein aus den Angriffen dreht, und ihrem Gegner mit einem Seitwärtshaken den Kopfschutz auf „Halb Acht“ schraubt. Der besitzt ein Höchstmaß an Lernresistenz. Eins ums andere Mal muss er sich seinen Kopfschutz zurechtrücken. Ich blicke verstohlen zu Allan Jr. Der zuckt unmerklich die Schultern. – „Partnerwechsel“

Kibta Taykeeta will Commonwealth Champ werden

Kiwa kämpft gegen einen Rechtsausleger. Geschickt tänzeln er und sein Gegenüber um die anderen herum und lassen keine Gelegenheit aus, sich schwere Distanzschläge um die Ohren zu hauen.

Ganz klar, hier stehen Könner im Ring, die technisch fundiert ausgebildet sind. Exzellent ist ihre Fußarbeit, fast schon kubanisch.

Die nächsten drei Minuten sind vorbei und wieder wird im Ring durch gewechselt. Jetzt boxt Kiwa gegen Kibta.

Kibta mit Mom und Dad

Ob er denn Angst um seine Tochter hätte, will ich von Kibtas Dad wissen. Er ist ein Nachbar der Nicolsons. „Look at her Mate“, sagt er stolz, „Kibta will win the Commonwealth Games!“ Zuzutrauen ist es ihr.

Kids Training

Neben dem Ring sind zehn Kinder mit einem Zirkeltraining beschäftigt. Karten auf dem Boden markieren die Stationen und beschreiben die Aufgaben. Einige verheddern sich bei den Übungen. Kein Grund zum Aufgeben. Ihr Trainer kniet nieder und erklärt ihnen geduldig, was schiefgelaufen ist. Dann geht’s von vorn los.

Allan Jr. steht schräg hinter mir und macht mich auf einen kleinen Knirps aufmerksam, der wie ein Großer gegen einen Sandsack haut. „Next Champ“

Fünfmal die Woche trainiert Allan Jr. die Kämpfer des Albert Boxing Clubs. Für die Elite gibt es dreimal morgens eine Zusatzeinheit.

Die Familie Nicolson ist Box-verrückt. Anders kann man nicht erklären, wie man acht Trainingseinheiten pro Woche und über 30 Turniere im Jahr unbeschadet überstehen kann. Nicht gerechnet sind die internationalen Events, bei denen Skye antritt.

Das Training ist zu Ende. Keiner geht. Man lehnt am Ring und unterhält sich. Heute stehen meine Frau Heike und ich im Mittelpunkt. Wo ich die Fotos posten werde, interessiert die Kids und wann es so weit sein wird. Kiwa fragt mich nach dem Namen seines Gegners, den er in Köln geboxt hatte. Er hat ihn sich damals nicht aufgeschrieben. (Ich muss beim SC Colonia nachfragen) Allan Jr. will von mir wissen, wie ich den Kampf zwischen Skye und Natalie Pawletko gesehen hatte. (Natalie hatte gewonnen) Und Kibtas Mom und Dad interessiert, welche Städte sie denn unbedingt sehen müssten, wenn sie einmal Deutschland besuchen würden. (Selbstverständlich Düsseldorf!)

Alle wollen wissen, wann wir denn wiederkommen werden.
„Wir sehen uns bald, Albert Boxing Club. Vielleicht schon zu den nächsten Commonwealth Games.“

 

 

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